Suzanne Grieger-Langer: Lügen lesen leicht gemacht!

Wie man Lügner erkennt und der Lüge überführt

Jeder kennt es: Das Gefühl, belogen zu werden. Egal, ob es sich um eine kleine Schwindelei handelt oder um eine Lüge größeren Ausmaßes: Das Gefühl, dass es unser Gegenüber nicht ernst meint mit dem, was er oder sie sagt, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Richtig bitter wird es dann, wenn eine Lüge – etwa in Verhandlungen – dazu führt, dass wir eine schwerwiegende falsche Entscheidung treffen. Derjenige, der weiß, dass sein Gesprächspartner lügt und das dann auch beweisen kann, ist also klar im Vorteil. Im Folgenden werde ich erklären, wie jeder mit ein paar simplen Tricks und Kniffen feststellen kann, ob er belogen wird.

Die FBI-Methode: Keine gute Wahl!

Viele Menschen, die das Gefühl haben, belogen und/oder betrogen zu werden, setzen auf die FBI-Methode, um den vermeintlichen Lügner zu entlarven: Sie setzen ihren Gesprächspartner gehörig unter Druck, um ihn dazu zu zwingen, unter Stress mit seiner Lüge einzubrechen und mit der Wahrheit herauszurücken. Das aber ist grundsätzlich falsch, denn: Entweder handelt es sich um einen routinierten Lügner, den der Stress gar nicht erst aus der Ruhe bringt, oder aber der Gesprächspartner fühlt sich durch die Konfrontation direkt angegriffen und macht sprichwörtlich zu: Er verweigert jede Stellungnahme zum Thema und tut die Bedenken des Skeptikers als Hirngespinste ab. So oder so ist man der Wahrheit also mit der Stress-Methode kein Stück näher gekommen. Wer wirklich treffsicher herauszufinden will, ob er belogen wird, sollte grundlegend anders vorgehen.

Drei Perspektiven, ein Ziel

Es sind drei Perspektiven, die den Lügner entlarven:

  • die Lupe
  • der Weitwinkel
  • der Blick von der Seite

Zunächst empfiehlt es sich, bildlich gesehen die Lupe zur Hand zu nehmen und den Blick auf verdächtige Details zu lenken, die einen möglichen Lügner als eben solchen entlarven könnten. In einem zweiten Schritt kann der Blick im Weitwinkel Aufschluss darüber geben, ob die Details im Einzelnen überhaupt ins Gesamtbild passen. Zuletzt ist es ratsam, einen Seitenblick zu riskieren, um herauszufinden, wie sich der vermeintliche Lügner im Gespräch mit anderen verhält.

Der Verdächtige darf sich nicht verdächtigt fühlen!

Wer herausfinden will, ob er belogen wird, sollte den vermeintlichen Blender zunächst einmal in einer lockeren, entspannten, alltäglichen Situation beobachten – etwa beim Essen, bei einem Spaziergang oder in einem Gespräch über Belanglosigkeiten. Wichtig ist, dass sich der Verdächtige in keiner Weise tatsächlich verdächtigt fühlt. Wie also redet er, wie bewegt er sich, wie sieht er seinen

Gesprächspartner an, wenn er vollkommen entspannt ist und sich in keiner Weise bedroht sieht oder entdeckt fühlt?

Unter Stress treten Lügen zum Vorschein

Das Verhalten in entspannten Situationen definiert die Basislinie des vermeintlichen Lügners – also die Art und Weise, wie er sich verhält, wenn er sich sicher fühlt und nicht gestresst. Dabei verhalten sich die Menschen – je nach ihrem Naturell – völlig unterschiedlich: Der eine ist in entspannten Situationen ganz ruhig, der andere quasselt unentwegt. Eines aber haben alle gemein: Wenn sie unter Stress geraten, verhalten sie sich anders: Dann verschiebt sich ihre Basislinie hin zur Stresslinie. Genau diese Stresslinie, also das Stressverhalten eines Menschen, kann Aufschluss darüber geben, ob jemand lügt oder nicht.

Lügner empfinden Stress – auch wenn sie versuchen, dies zu vertuschen

Menschen, die unehrlich sind, empfinden also Stress. Dieser kann stark oder weniger stark ausgeprägt sein, je nachdem, wie routiniert jemand lügt. Nicht selten hängt der Stress des Lügners auch davon ab, wie schwerwiegend seine Lüge ist – und von der Konsequenz, die er befürchtet, sollte er mit seiner Lüge auffliegen. Ein Lügner wird also versuchen, sich in brenzligen Situationen selbst zu beruhigen, um den Stress nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Dieses Sich-selbst-beruhigen kann etwa so aussehen, dass sich der Geschäftspartner seine schwitzenden Hände abwischt, seinen Hemdkragen lockert oder die Krawatte zurechtrückt. Neben diesen offenkundigen Signalen gibt es aber auch einige subtilere, die dem ungeschulten Auge leicht entgehen könnten: Jemand, der lügt, streicht sich mitunter in unangenehmen Situationen mit der Hand über andere Körperteile, macht Kaubewegungen, ohne etwas im Mund zu haben, oder signalisiert durch wiederholte Schluckbewegungen, dass ihn gerade etwas belastet.

Wer einen Lügner der Lüge überführen will, sollte sein Augenmerk verstärkt auf folgende Körperpartien legen:

  • Gesicht
  • Kopf
  • Hals
  • Schultern
  • Arme
  • Hände
  • Beine

Gute Indikatoren dafür, ob jemand lügt oder nicht, sind Abweichungen von der Basislinie. Wir erinnern uns: Dazu ist es unbedingt erforderlich, den anderen zuerst in einer entspannten Situation unter die Lupe zu nehmen. Jemand, der lügt, wird schneller oder langsamer sprechen, als er es im Ruhezustand tut. Er wird ausführliche Antworten geben, wo er sonst knapp geantwortet hätte – vielleicht spannen sich sogar seine Gesichtszüge an oder er legt die Stirn in Falten. Der Einsatz von Mimik und Gestik kann sich erhöhen oder verringern, vielleicht ist die Stimme plötzlich belegt oder es ändert sich die Tonlage. Auch der Blick des Gesprächspartners kann Aufschluss darüber geben, ob er es ehrlich mit uns meint.

Es lohnt sich also, auf abschweifende Blicke, unterschiedliche Blickrichtungen und eine von der Basislinie abweichende Blickfrequenz zu achten.

Diese drei Warnsignale sind eindeutige Zeichen für Stress:

  1. Fluchtsignale
    Der Blick des Gesprächspartners huscht zur Tür, seine Fußspitzen und vielleicht sogar sein gesamter Körper neigen sich in Richtung Ausgang.
  2. Kampfsignale
    Stimme, Verhalten und Wortwahl des Gegenübers werden aggressiver; er fällt einem vielleicht sogar ins Wort.
  3. Schocksignale
    Typischerweise hält alles an: Das Sprechen stockt, der Körper erstarrt – mitunter sogar bis hin zum weißen Nasendreieck, das eine drohende Ohnmacht anzeigt.

Lügen brauchen Zeit

Wer wissen will, ob er es mit einem Lügner zu tun hat, sollte sich – last but not least – das Antwortverhalten des vermeintlichen Lügners anschauen. Hier ist besonders die zeitliche Differenz zwischen der Frage und der darauffolgenden Antwort von Bedeutung, denn: Der Lügner muss seine Antwort konstruieren, während der ehrliche Gesprächspartner seine Antwort einfach aus dem Gedächtnis abruft. Eine Lüge braucht also wesentlich mehr Zeit als die Wahrheit. Auch hier gilt natürlich, dass jeder Mensch seine ganz eigene „Norm-Zeit“ hat, um in Gesprächen zu reagieren: Der eine kontert schnell und schlafkräftig, der andere antwortet bedächtig und überlegt. Einen Lügner kann man also nur dann entlarven, wenn man sich zuvor ein Bild davon gemacht hat, wie er im Normal-Zustand antwortet.

All diese Kriterien liefern – mit ein bisschen Übung – eine gute Basis, um die Glaubwürdigkeit eines Gesprächspartners treffsicher einzuschätzen.

Aber: Egal, auf welche Methode man setzt – man kann Stress zwar detektierten, nicht aber, warum jemand Stress hat. Auch die Frage, ob der Stress auf eine Lüge zurückzuführen ist, bleibt erst einmal unklar. Als Faustregel gilt: Lügen offenbaren sich immer dort, wo Zahlen und Fakten enden und Geschichten beginnen!

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